Willkommen in der Gegenwart? - Zensur bei 96

Wir alle kennen und lieben sie: Fußballer, die nach und um das Spiel herum mal so ordentlich auf "die kacke" hauen: Bekannt sind da vor allen Dingen solch sensationelle Aussagen a lá:




Oder:



Auch in Hannover gibt es solche Kandidaten..., bzw. gab es sie. Denken wir z.B. an Hanno Balitschs ebenso tragische wie süffisante Anmerkung in der Halbzeitpause des Spiels in Wolfsburg in Richtung Dieter Hecking: "Können Sie denn auch mal positiv sein, Trainer?" Aber auch Michael Tarnat und Robert Enke sind solche Kandidaten gewesen. Wie gesagt: Sind. Denn was seit gestern die Runde in und um den Klub macht, grenzt doch bisweilen an Zeiten von vorgestern: Denn es ist mittlerweile eine Unsitte, dass den Spielern Interviews verboten werden, da man befürchtet, sie könnten ihrem Arbeitgeber mit "unüberlegten" Aussagen in den Rücken fallen, bzw. diskreditieren. Da ist es ein Leichtes, den Spielern einen Maulkorb zu verpassen. Höhepunkt: Der PR-Boykott beim ehemaligen "Meister des Herzens" unter Mirko Slomka.

Um solche Aussagen von Spielern nicht mehr ungeschönt an die Öffentlichkeit zu geben, haben sich nun auch die Verantwortlichen der "Roten", namentlich Klubchef Martin Kind, Sportdirektor Jörg Schmadtke, Medienchef Andreas Kuhnt und Trainer Dieter Hecking , zusammengesetzt und einen Maßnahmenkatalog verabschiedet: Wichtigster Punkt: Jedes Interview ist den Verantwortlichen vor Veröffentlichung vorzulegen und von denen zu autorisieren. Nun gut, in manchen Momenten mag das zutreffend sein beispielsweise bei ausländischen Spielern, die sich noch nicht so gut artikulieren können und sich somit auch mal in die Brennnesseln setzen können.

Aber auf der anderen Seite lebt Fußball in erster Linie von den Spielern, die ihre Meinung sagen und somit zur Qualitätssteigerung des eigenen Vereins beizutragen. Man kann entgegen, dass interne Probleme zunächst eben intern anzusprechen seien. Richtig, aber was, wenn die Probleme kein Gehör finden? Meinungsfreiheit steht über Klubraison und Interesse der Verantwortlichen hinter persönlichen Empfinden. Von daher: Von Zensur zu sprechen bei diesem Schritt ist nicht verfehlt.

8 Kommentare:

FS hat gesagt…

Nicht unbedingt. Als jemand der eine Zeit lang Pressearbeit gemacht hat weiß ich, dass die gedruckten Interviews sehr häufig nicht mehr viel mit den ursprünglichen Aussagen zu tun haben. Da werden Grammatikfehler bereinigt, konfuse Sätze "geglättet", die Reihenfolge von Fragen vertauscht und z. T. die Antworten ganz anderen Fragen zugeordnet. Die Interviewten sind darüber im übrigen gar nicht so unglücklich, schließlich machen sie auf dem Papier plötzlich ein hoch eloquenten Eindruck (ohne es wirklich zu sein). Unter all diesen Änderungen werden dann aber mitunter Verschärfungen und Zuspitzungen versteckt die so nie gesagt wurden. Das machen Journalisten nicht aus Bösartigkeit sondern oft um ihren Chefredakteur zufriedenzustellen, der ständig "Knüller" oder "Topstories" fordert. In vielen Medien werden Beiträge auch durch einen zweiten Redakteur "auf Linie gebracht", i. e. sie werden umgeschrieben um ihnen einen "Dreh" zu verschaffen. Eine ganz andere Sache sind "kalte" Interviews, bei denen zugesandte Fragen schriftlich beantwortet werden. Gerade im Sportbereich (aber auch in der Politik) weiss der "Interviewte" dann häufig gar nichts von den Antworten die Berater oder Pressereferenten in seinem Namen geben. Vor diesem Hintergrund ist der Wunsch nach Autorisierung durchaus verständlich, da immer mehr der unautorisierten Äusserungen alles mögliche sind, nur eines nicht: authentisch.

Dein Koenig hat gesagt…

Tja, wenn es bei den Roten mal Spieler geben würde, die was mitzuteilen hätten. Alle Interviews in den Zeitungen bisher waren doch weichgespült. Keiner der mal auch nur irgendwie Biss hatte oder wirklich mal auf den besagten Putz haute.

(was fiel ihnen bei ihrem DDR Besuch als erste ins Auge - Der Putz)

Den Presseboykot von Schalke fand ich ne gute Sache. Es hatte auch einen Sinn, damals hatte nämlich jemand der Spieler dauerhaft Interna an die Presse weitergegeben und die haben sich drauf gestürzt wie Osteuropäer beim Sommerschlußverkauf.

Ich hab auch schon über ein Pressearbeit gemacht. Eins sag ich euch, es gibt nichts langweiligeres als eine Pressemitteilung heraus zugeben. Bloß nicht anecken, gerade schreiben damit ja nichts falsch verstanden werden kann. Grausam.

Anonym hat gesagt…

Wie sieht's denn so in dieser Hinsicht bei den anderen Vereinen aus? Betreiben die alle eine ähnliche "Interviewpolitik" oder ist das jetzt nur bei 96 so?

Phil

MatzeM hat gesagt…

@ frontbumbersticker: also, dass Interviews notgedrungen auf Linie gebracht werden, da beispielsweise Wort- und Grammatikreihenfolge etc. nicht stimmen ist eine ganz andere Sache, als etwa die Überprüfung vor der Freigabe. denn es gibt in unserer Muttersprache doch einige sinnvolle regeln, die es zu beachten gilt. Darüber hinaus steht es auf einem ganz anderen Blatt, dass die Medienmacher nach Topstories und Knüllern aus sind.


@ Phil das ist bei relativ vielen Klubs so.

FS hat gesagt…

Nicht unbedingt. Wenn die knüllersuchenden Chefredakteure die sprachliche "Glättung" der Interviews nutzen um verschärfte Aussagen hineinzuschmuggeln ist genau da der Kern des Problems. Ich würde z. B. wetten, dass einige der Aussagen die in letzter Zeit von Franck Ribery und Demba Ba in den Medien zu lesen waren so nie gesagt worden sind, sondern von irgendwelchen Beratern und/oder Journalisten konstruiert wurden.

MatzeM hat gesagt…

aber dann hat das ja nix mit Journalismus mehr zu tun. Wenn ne Story nix ist, dann ist se nix.

FS hat gesagt…

Dem würde ich definitiv zustimmen. Allerdings weiss ich aus eigener Berufserfahrung, dass derartige Praktiken leider trotzdem vorkommen. Damit kommen wir auch wieder zum Anfang zurück: gerade gegen derartigen schlechten Journalismus richtet sich ja die Autorisierungs-Politik die von immer mehr Vereinen eingeführt wird. Dass dann auch seriöse Medien unter den Folgen der Wortverdrehungen bei Bild, Express, AS, Sun & Co zu leiden haben ist sicher bedauerlich, aus der Sicht des Vereins aber das kleinere Übel.

Dein Koenig hat gesagt…

Tja der Klassiker. Ist es Wahrheit oder schon Journalismus?

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