Zwei Spieltage vor Schluss

Die Fans von Hannover 96 mussten in der letzten Zeit vieles über sich ergehen lassen. Im Büro, in der Uni oder im alltäglichen Leben mutete man den Leid- und Abstiegskampferproptem Anhänger mit der banalen Aussage: "Na, schon wieder verloren?" schon allerhand Demütigung zu. Wer dachte, nach der Niederlage gegen den VfB Stuttgart könne es nicht mehr schlimmer kommen, der sah sich in den letzten Spielen eines Besseren belehrt. Es folgte die desolate Vorstellung (1:4) gegen den Karnevalsverein vom Rhein. Das Spiel war bereits nach einer halben Stunde gelaufen, 0:3 hatte es da aus Sicht der "Roten" gestanden. Zu diesem Zeitpunkt hatte ein Spieler seinen großen Auftritt noch nicht gehabt: Hanno Balitsch. Nach einem Handspiel bereits mit der Gelben Karte bedacht, leistete er sich einen Blackout bei einem Foul an maniche und konnte frühzeitig zum duschen gehen. Das Foul von Balitsch stand symptomatisch für die Mannschaft in diesem Spiel: phlegmatisch, ideenlos, Alibifußball, das waren noch die harmloseren Worte, die man im Block zu hören bekam.




Es folgte das Auswärtsspiel beim großen Bruder an der Elbe. Und was war da denn los? Es geschahen noch Zeichen und Wunder, Hannover 96 kann ja doch noch, wenn sie wollen. Coach Slomka war so etwas wie die Wiedergeburt gelungen. Zwar ging nach vorne überhaupt nichts, dafür aber nach hinten. Als Zerstörer zeigten sich die "Roten" von ihrer besten Seite. Dem HSV gelang nichts nach vorne, für einen ambitionierten Klub war die Leistung eindeutig zu wenig. Schon hier zeigte sich, dass Coach Labbadia seine Mannschaft nicht mehr erreicht hatte. 96 jedenfalls hatte an diesem Spieltag wieder Licht am Ende des Tunnels gesehen. Der Verbleib in der ersten Liga schien wieder realistisch. Auch angesichts eines guten Starts in die Wochen der Wahrheit, wo 96 an den nächsten drei Spieltagen gegen Schalke, die Bayern und Leverkusen spielen musste. 96 als Zünglein an der Waage im Kampf um die Meisterschaft, eine schöne Randnotiz in dieser Katastrophensaison.

Und es ging auch gut los: Dem Unentschieden gegen den HSV folgte ein Sieg gegen die "Knappen". Die "Roten" hatten eine Sahnetag erwischt. Allen voran Sturmtank Didier Ya Konan, mit zwei Toren "Man of the Match". Der Sieg gegen Schalke schien neue Energie freizusetzen und Kraft vor den letzten Spielen gegen Bayern, Leverkusen, Gladbach und Bochum zu geben. Der Glaube an die eigene Stärke war wieder zurückgekehrt, die Mannschaft, das Umfeld glaubte, gegen die großen Bayern etwas bewegen zu können. Schließlich war auch die Mannschaft nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich gegen Schalke nicht auseinandergebrochen, sondern hatte Moral gezeigt.

Doch eine Woche später war alle Hoffnung jäh zerpufft, quasi von einem Moment auf den anderen. Man fragte sich, ist das noch die Mannschaft, die Schalke abgefertigt hatte? 96 fand kein Mittel, gegen Leute wie Robben, Lahm oder Olic zuzupacken. Es ist bezeichnend, dass sich während eines Spiels drei verschiedene Abwehrspieler nacheinander daran versuchen durften, die Kreise des besten Spielers der Liga, Arjen Robben, einzudämmen. Schulz gab nach einer halben Stunde mit Gelb-Rot-Gefahr auf, Djakpa und Rausch ist mit ihren jungen Jahren kein Vorwurf zu machen. Das Bayern-Spiel zeigte: Die Mannschaft ist so unberechenbar wie Staatsanleihen für Griechenland. Und auch das Spiel gegen die Werkself aus Leverkusen bestätigte diesen Eindruck.

Was bleibt zwei Spieltage vor Schluss? 96 steht auf dem vorletzten Tabellenplatz vor der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgestiegenen Hertha, einen Punkt entfernt vom Relegationsplatz, aber auch vom sicheren 15. Tabellenplatz. 27 Punkte haben die "Roten", am Ende könnten es 33 Punkte sein, die die Zugehörigkeit zur ersten Liga auch in der nächsten Saison bedeuten würden. Dazu muss 96 gegen Gladbach und vor allen Dingen gegen den unmittelbaren Konkurrenten Bochum gewinnen. Man klammert sich an jeden Strohhalm und so muss auch die erste Saison (mal wieder) herhalten, als Jiri Stajner am vorletzten Spieltag mit seinem Last-Minute-Tor gegen Gladbach die Klassenzugehörigkeit sicherte. Man möchte ihm zurufen: Mach's nochmal, Jiri. Damit würde er sich endgültig ein Denkmal setzen, Hannover wäre Jiri-Stadt. Doch gar keine so schlechte Option, oder?