Zum Tode Robert Enkes - Der Versuch eines Nachrufs




Es ist schwer Gefühle auszudrücken. Meine Freundin fordert mich immer wieder dazu heraus, mich zu offenbaren, mich mitzuteilen. Am Sonntag war es der Fall. Es war der Moment als der Sarg von Robert Enke von seinen Mannschaftskollegen aus der Awd-Arena getragen wurde. Es war der Moment als mir klar wurde, Robert Enke wird nie mehr zwischen den Pfosten des Tores von Hannover 96 stehen. Ich musste eine Viertelstunde weinen. Und es tat mir gut, so paradox das klingen mag. Gefühle zeigen, das ist besonders im hoch professionalisierten Leistungssport Fußball verpöhnt. Da fordern persönliche Tragödien wie der Tod des Nationaltorwarts Robert Enke zum Nachdenken und Innehalten auf. Traurig, fassunglos, wütend, mitschuldig - das sind wohl die ehesten Einfälle, die einem zum Tod von Robert Enke einfallen.

Es wird nie mehr so sein, dass Robert Enke unmittelbar vor dem Spiel, nachdem er seine Flasche in die Ecke des Tores vor der Nordkurve geworfen hat, noch einmal am Pfosten vorbei vor die Fans tritt und sie einpeitscht während des Spiels alles zu geben. Hannover 96 ist um eine große Persönlichkeit ärmer geworden. Besonders nach dem Tod seiner kleinen Tochter Lara im Jahr 2006 ist die Symphatie und das Mitgefühl gegenüber Robert Enke und seiner Frau Teresa in der niedersächsischen Landeshauptstadt angestiegen. Scheinbar mühelos schienen der Keeper und seine Frau diesen Schicksalsschlag verkraftet zu haben - doch es war, wie sich im Nachhinein nun auf dramatische Weise gezeigt hat, nur die äußere Hülle.

Robert Enke litt an Depressionen, die in ihrem Ausmaß wohl nur ihm und Teresa als auch seinem Therapeuten und einigen engen Freunden und Familienmitgliedern bekannt gewesen schienen. Enke wollte damit nicht in die Öffentlichkeit. Zu groß schien die Angst, als Weichei und Versager abgestempelt zu werden. Die Diskussion im Anschluss an den Freitod von Robert Enke scheint für mich scheinheilig zu sein. Mehr professionelle Unterstützung durch Psychologen im Trainerstab der Mannschaften, die Forderungen "offensiv" mit dem Thema Depressionen umzugehen. Die Frage sei gestattet: Würde es etwas ändern, wenn Psychologen zwar die Spieler auf Nachfrage betreuen, aber doch so schlimme Taten wie den Tod von Robert Enke doch nicht verhindern können.

Theo Zwanziger hat dies in seiner Rede am vergangenen Sonntag auf unmissverständliche Art und Weise deutlich gemacht: "Das Leben wird wieder seinen Anfang nehmen. Aber vor (...) meinen Augen stehen auch zwei Sätze, gesprochen von Bischöfen der evangelischen Kirche. Der eine von Bischöfin Käßmann: ,Fußball ist nicht alles.‘ Fußball (...) darf nicht alles sein. Das Leben, das uns geschenkt ist, ist vielfältig. Es ist interessant. Es ist lebenswürdig. Fußball darf nicht alles sein, liebe Eltern, wenn ihr daran denkt, ob eure Kinder einmal Nationalspieler werden könnten. Denkt nicht nur an den Schein, an das (...), was über die Medien verbreitet. Denkt auch an das, was im Menschen ist, an Zweifel und an Schwächen. Fußball ist nicht alles.
Aber (...) es gibt auch den anderen Satz. Vor dreieinhalb Jahren begann die Weltmeisterschaft mit einem Gottesdienst in München. Damals, die Sonne begann genauso wie hier den Nebel und den Regen zu verdrängen, sprach Bischof Wolfgang Huber: ,Fußball ist ein starkes Stück Leben.‘ Ja, Fußball kann ein starkes Stück Leben sein, wenn wir nicht nur wie Besessene hinter Höchstleistungen herjagen. (...) Maß, Balance, Werte wie Fairplay und Respekt sind gefragt. In allen Bereichen des Systems Fußball. Bei den Funktionären, bei dem DFB, bei den Verbänden, den Klubs, bei mir, aber auch bei euch, liebe Fans. Ihr könnt unglaublich viel dazu tun, wenn ihr bereit seid, (...) euch zu zeigen, wenn Unrecht geschieht. Wenn ihr bereit seid, dass Kartell der Tabuisierer und Verschweiger einer Gesellschaft (...) zu brechen.
Ein Stück mehr Menschlichkeit, ein Stück mehr Zivilcourage, ein Stück mehr Bekenntnis zur Würde des Menschen, des Nächsten, des anderen. Das wird Robert Enke gerecht.“

Im Grunde genommen ist diesen Ausführungen nichts hinzuzufügen. Doch sei an dieser Stelle nochmal auf die Ausdrücke der Trauer in Hannover hingewiesen. Es ist richtig, dass man sich verabschieden muss von einer großen Persönlichkeit, die Hannover so viel und die Stadt auch ihm gegeben hat. Im Gespräch mit einigen Fans die auch in den beiden großen Zeitungen der Landeshauptstadt abgedruckt wurden, kamen mir allerdings auch einige nachdenkliche Eindrücke: Trauern kann und darf nicht zu einem "Massenevent" werden. Ein Arbeitskollege meines Vaters beantwortete die Frage, ob er am Sonntag ins Stadion gehen würde mit der Antwort: "Klar, ich will ja dabei sein." Er war mit dieser Antwort nicht alleine. Diese Aussage hat mich verletzt, denn es wird der Familie von Robert ihren Gefühlen und ihrem Schmerz nicht gerecht.

Es bleibt die Frage, wie es in Hannover nach dem Freitod von Robert Enke weitergehen kann und irgendwie auch muss. Die Mannschaft hat den richtigen Weg gezeigt. Sie möchte am kommenden Sonnabend das Bundesligaspiel gegen Schalke 04 bestreiten. Es geht darum, wieder ein Stück weit zur Normalität zurück zu kehren, sofern dies überhaupt möglich scheint.

Robert hätte es vielleicht so gewollt.

Fotos: Matthias Mahlke

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hey Matze ich bin es Nadine, das was du geschrieben hast hat mich sehr bewegt:( Ich finde es nur nicht schön das es so öffentlch gemacht wurde,die Frau selber hatte nicht mal zeit zum trauern , überall Presse, Kamaras das ist doch nicht das was Robert Enke gewollt hätte..

MatzeM hat gesagt…

da muss ich dir recht geben, andererseits war es aber auch gut, dass Frau Enke gleich reinen Tisch gemacht hatte.

Dein Koenig hat gesagt…

Hast Du gut geschrieben. Die Tränen bei mir liefen aber schon das erste mal richtig, als "Alte Liebe" erklang.

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Hast Du gut geschrieben. Die Tränen bei mir liefen aber schon das erste mal richtig, Trauern kann und darf nicht zu einem "Massenevent" werden. Ein Arbeitskollege meines Vaters beantwortete die Frage, ob er am Sonntag ins Stadion gehen
als "Alte Liebe" erklang.da muss ich dir recht geben, andererseits war es aber auch gut, dass Frau Enke gleich reinen Tisch gemacht hatte.

Anonym hat gesagt…

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